Geschichten aus dem Bürgeramt

Ich glaube, so ziemlich jede Person, die das hier liest, hat bereits negative Erfahrungen auf einem Amt gemacht. Ich reihe mich da gerne ein, denn was ich vor ein paar Tagen auf einem Bürgeramt erlebt habe, war so absurd, dass ich es aufschreiben musste.

Zuerst die harten Fakten: Ich habe keinen Reisepass und brauche in ein paar Monaten einen. Den kann man nur persönlich beantragen, nur ist leider in Berlin die Situation schon seit längerem so, dass man in der ganzen Stadt keinen Termin bekommt. Ein Trick ist hier, jeweils ganz früh zu schauen, um dann kurzfristig einen Termin am selben Tag zu ergattern. Das klappt aber nicht immer. Die Situation ist medial schon öfter begleitet worden. Interessant ist, dass man, wenn man denn einen Termin bekommt, auch als jemand, der nicht in Berlin gemeldet ist, einen Reispass beantragen könnte (gegen extra Gebühr).

Da kam mir die Idee: Ich kann es ja mal beim Bürgeramt in meinem Geburtsort versuchen. Zumindest auf deren Webseite stand nichts von der Voraussetzung, dort gemeldet zu sein. Ich nahm alles mit inkl. Geburtsurkunde und fuhr eines Tages gleich morgens früh hin, damit ich so ziemlich der erste dort bin. Ich weiß ja nicht, ob die Situation sonst ähnlich ist wie in Berlin. Online einen Termin ausmachen konnte ich nicht.

Im Bürgeramt angekommen, kam ich direkt ran. Es gab insgesamt zwei Schalter und beide wurden gerade frei als ich kam. Am Schalter vor mir saß eine ältere Frau, nennen wir sie mal Frau Meier. Ich sagte, dass ich gerne einen Reisepass beantragen möchte und sie ließ sich von mir alles dazu geben: Ausweis, Geburtsurkunde, Passbild. Sie schaute sich das an und fragte mich, wann ich den Reisepass denn brauchen würde. Ich sagte, in der zweiten Augusthälfte, daher brauche ich auch kein Expressverfahren oder so. Sie meinte, wunderbar und kopierte meine Dokumente und begann, meine Daten aufzunehmen.

Nun kam es zu einer Unterbrechung. Sie war verwirrt und verharrte erstmal regungslos für ein paar Sekunden. Ihr fiel auf, dass ich in Berlin gemeldet bin. Sie hörte sofort auf und sagte, sie kann deshalb nicht weitermachen. Was jetzt passierte erinnerte mich an Kafkas „Der Process“ und ich gebe das ab jetzt in wörtlicher Rede wider, so gut ich es mir gemerkt habe.

Frau Meier: „Sie kommen ja aus Berlin, dann geht das nicht.“

Ich: „Ich bekomme in Berlin keinen Termin im Bürgeramt. Das haben Sie bestimmt auch schon gehört.“

Frau Meier: „Sie haben aber noch genug Zeit einen Reisepass in Berlin zu beantragen. Es ist ja nicht dringend.“

Ich: „Ich bekomme da aber keinen Termin. Deswegen bin ich hergekommen.“

Frau Meier: „Es gibt ein Bürgeramt in Berlin, da braucht man keinen Termin.“

Ich: „Ich habe Termine übers Internet buchen wollen, da gibt’s keine freien Zeiten mehr.“

Frau Meier geht zum Schalter direkt neben ihr und fragt ihre Kollegin, nennen wir sie Frau Schmidt.

Frau Meier: „Wo ist das Bürgeramt in Berlin, für das man keinen Termin braucht?“

Frau Schmidt: „Das hamse zujemacht.“

Frau Meier: „Er will einen Reisepass beantragen und kommt aus Berlin. Hat aber noch Zeit.“

Frau Schmidt: „Da macht der Chef nicht mit.“

Frau Meier kommt zurück.

Frau Meier: „Wir machen das nicht.“

Jetzt drehen sich die Zahnräder in meinen Kopf.

Ich: „Das heißt, wenn ich in Berlin in den nächsten Wochen keinen Termin finde, dann kann ich nochmal herkommen, weil es dann dringend ist?“

Frau Meier: „Ja.“

Ich: „Wirklich?“

Frau Meier: „Ja.“

Innerlich geht da gerade was kaputt in mir. 

Ich: „Es gibt online keinen Hinweis darauf, dass man in … gemeldet sein muss. Wenn man in Berlin einen Termin bekommen könnte, könnte man auch ohne dort gemeldet zu sein gegen extra Gebühr einen beantragen. Daher bin ich hergekommen.“

Sie: „…“

Ich: „Wo hätte ich das denn lesen können, dass das hier nicht geht?“

Sie: „… dann würden ja alle Berliner herkommen.“

Stille. Ich frage mich, warum denn nicht alle Berliner*innen schon hergekommen sind, wenn nirgendwo steht, dass das nicht geht, aber das fällt einem ja immer erst hinterher ein.

Ich: „Eine Frage: Habe ich einen Fehler gemacht, als ich gesagt habe, ich brauche den Reispass erst im August? Hätte ich sagen sollen, ich brauche ihn dringend in 3 Wochen?“

Frau Meier: „Ja.“

Ich: „Wirklich?“

Frau Meier: „Ja.“

Stille.

Ich: „Das heißt, wenn ich jetzt raus gehe, noch einmal eine Nummer ziehe und Glück habe, bei ihrer Kollegin zu landen, dieser dann sage, dass ich dringend einen Reispass brauche – dann kann ich einen beantragen?“

Frau Meier: „Nein, wir wissen ja jetzt, dass Sie im August einen benötigen.

Das ganze hat mich echt frustriert. Ich verstehe, dass es Regeln gibt. Wenn die aber nirgends stehen und auch von Amt zu Amt unterschiedlich sind, dann ist das nicht gut. Klar, ich hätte vorher einfach anrufen und fragen können, aber das ist was, was mir schwerer fällt als hinzufahren – und ja, auch das ist absurd. Ich bin dann wieder los, weil da echt nichts zu machen war. Ach ja und übrigens: Es war niemand nach mir dran. Auch den Reisepass druckt, wenn die Daten aufgenommen werden, auch nicht das Bürgeramt direkt aus. Ich halte das für minimalen Aufwand, der da entstanden wäre. Ich hatte das Gefühl, dass das alles ziemlich seltsam war, weil man mir ausdrücklich nicht helfen wollte. Der Amtsschimmel wurde hier geritten, bis es nicht mehr ging und ich frage mich schon ein bisschen, wie Frau Meier am Ende des Tages so schlafen kann. Wahrscheinlich besser als ich, ich denke da bestimmt noch Jahre drüber nach.

Falls ihr euch fragt, was denn nun mit meinem Reispass ist: Auf den Weg zurück nach Berlin, wurde wie durch ein Wunder ein Termin im Bürgeramt Köpenick frei. Da bin ich hin und war in unter 5 Minuten wieder draußen. Ich habe selten so freundliche Beamtinnen erlebt.

Verflucht, Teil 1

Ich bin verflucht. Und das kam so:

Alles begann vor vielen Jahren. Da ihr euch auskennt, muss ich nicht mehr groß erwähnen, dass ich während und nach meiner Schulzeit in einem großen Supermarkt gejobbt habe, denn ihr seid ja eifrige Leser. Bei meiner Beschreibung habe ich allerdings ein dunkles Kapitel meiner Vergangenheit unterschlagen. Da ich im Lager mit allerlei nutzlosem Zeugs zu tun hatte, vornehmlich Autopolitur und Erfrischungstücher, fallen gewisse Gegenstände umso mehr auf und so kam es, dass ich auf einer Palette voller Krimskrams auf einmal etwas sah, dass alleine aufgrund seiner schieren Wertigkeit1 meine volle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Der Gegenstand funkelte so schön. Ich hob ihn an. Er war angenehm schwer und lag gut in der Hand. Es war sofort klar, dass er für mich bestimmt, ja für mich erschaffen war. Ich musste ihn haben, das war klar. Und da hab ich ihn mir genommen. Es war so einfach! Wie konnte ich zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass mich das 10 Jahre später verfluchen sollte? Jetzt im Nachhinein ist es mir natürlich klar.

Bei dem Gegenstand handelte es sich um eine Schere aus Edelstahl. Geeignet zum Schneiden von allen möglichen Sachen. Sie hat mir stets gute Dienste erwiesen und viele Umzüge mitgemacht. Ich kann mich schwer an eine Zeit vor der Schere erinnern. Immer war sie an meiner Seite, nie urteilte sie über meine Schneideintentionen. Bis vor ein paar Tagen, an denen sich der Himmel verdunkelte.

Und jetzt kommt’s: Fortsetzung folgt!


  1. Habe ich das Wort “wertig“ schon einmal benutzt? Ich hoffe nicht. Nix gehen Sprachwandel, da bin ich voll dafür, aber alles mach ich nicht mit.