Das Wrestling, eine Dokuserie und ich

Wrestling ist meine Leidenschaft. Jede Person, die mich kennt, weiß das und ich habe kein Problem, das zuzugeben oder darüber zu sprechen. Das war nicht immer so. Ich bin Fan seit ungefähr 1994 und in der Grundschule war es noch okay, da zumindest noch drei Freunde das Hobby mit mir teilten. Das ging soweit, dass wir uns regelmäßig auf einem Dachboden getroffen haben, wo wir einen Ring (d.h. einen Haufen oller Matratzen) gebaut und selber gecatcht haben. Mit Verkleidung und einmal sogar mit Zuschauern (d.h. vor Muttis, Vatis und Omis). Ich schweife ab, denn spätestens im Gymnasium war Wrestling dann vor allem eins: peinlich. Ich habe es vermieden, groß darüber zu sprechen, wahrscheinlich habe ich eh nicht viel gesprochen. Ich finde Wrestling super, aber es war mir unangenehm. Es gab auch allen Grund dazu. Wahrscheinlich gibt es hunderte Segmente oder Matches, bei denen ich die Fernbedienung immer bereit hatte, um schnell umzuschalten, sobald jemand in mein Zimmer kommen sollte.
Peinlich war mir vor allem das Gebrüll, das Gehabe und das Aussehen einiger Wrestler. Mich haben vor allem die etwas anderen interessiert. Wenn ich doch mal darüber gesprochen habe, kamen immer die gleich Fragen:

  • Lebt der Undertaker noch?
  • Das ist das mit Hulk Hogan, ne?
  • Das ist alles Fake, das weißt du schon, oder?

Ich kannte wirklich kein Hobby, bei dem man sich andauernd so rechtfertigen musste, deshalb habe ich lange Zeit überhaupt nicht drüber gesprochen. Was sich immer komisch angefühlt hatte, schließlich geht ein großer Teil meiner Freizeit dafür drauf. Ich meine, es gibt echt Sachen, die auch ich super peinlich fand. Deutscher Kommentar zum Beispiel. Oder überhaupt deutsches Wrestling. Das war alles so seltsam und auch dumm in meinen Augen. Nichts, was meine Leidenschaft befeuerte, gab es da und ich habe das gemieden wie nix anderes. Bis ca. 2013, denn da war ich zum ersten Mal bei einer Show einer deutschen Liga in Oberhausen. Daraus wurden viele Shows in Oberhausen, Hamburg, Berlin und sogar London. Die Liga, von der ich hier spreche, ist die wXw (Westside Xtreme Wrestling, ja der Name schreit nach den 2000ern) und die hat was geschafft, was ich als Jugendlicher nie für möglich hielt: Ich finde deutsches Wrestling nicht mehr peinlich. Ganz im Gegenteil, ich finde es cool und kreativ.

Was ich eigentlich sagen will: Wrestling (bzw. Professional Wrestling, wie es im englischen Raum eigentlich heißt), ist ein großes Thema für mich. Ich konsumiere es fast täglich, und das seit fast 28 Jahren. Es gibt etliche Ligen auf der ganzen Welt. Nicht alles gefällt mir. Das, was im – ich nenne es mal „Mainstream“ und meine damit die WWE – passiert, finde ich fast durchgängig uninteressant und verfolge ich nicht. Ich interessiere mich für das, was in den aufsteigenden und etwas kleineren Liegen passiert und das ist für mich einfach die Welt. Ich identifiziere mich damit und es ist mir mittlerweile alles andere als peinlich, das zuzugeben. Ich versuche allerdings auch, das niemandem unter die Nase zu reiben. Es ist Geschmacksache und niemand muss das mögen, das ist mir vollkommen klar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die das nicht kennen, es komplett seltsam finden und das können sie auch. Wenn jemand fragt, warum ich das mag, dann erkläre ich das auch und zumindest mir geht es so, dass wenn jemand etwas über ein Thema erzählt, für das diese Person brennt, es mir egal ist, ob ich das auch mag. Ich finde das dann zumindest interessant und sympathisch.

Zu den Fragen oben möchte ich euch natürlich noch die Antwort geben. Zwei kurze und eine etwas längere, dann seht ihr vielleicht auch, warum mich Wrestling so begeistert.

  • Lebt der Undertaker noch?

Ja, der Undertaker lebt noch (und nein, er wurde noch nie „ausgetauscht“).

  • Das ist das mit Hulk Hogan, ne?

Ja. Hulk Hogan kann aber aus meiner Sicht kacken gehen.

  • Das ist alles Fake, das weißt du schon, oder?

Mich stört der Begriff „fake“ hier, denn was damit gemeint ist, ist, dass die Abläufe und Matchausgänge abgesprochen sind. No Shit, Sherlock, jetzt wo du es sagst! Im Ernst, das ist jedem Fan bewusst, da es einfach integraler Bestandteil und ein Grund ist, warum Wrestling aus meiner Sicht so toll ist. Es wird auch heutzutage nach außen hin von den Ligen überhaupt nichts anderes behauptet. Wenn irgendjemand sagt, dass sei ein echter Kampf, dann ist das wirklich zum Fremdschämen.

Wrestling hat für mich viel mehr mit Performancekunst und Improvisationstheater zu tun als mit Kampfsport. Klar, gehören auch diese Elemente dazu, aber das ist nur eines von vielen. Athletik, Charisma, Verbindung zum Publikum, das Vertrauen zum Gegner oder zur Gegnerin, die überzeichneten Charaktere, die diversen Menschen, die hier zusammenkommen, die Absurdität und Ernsthaftigkeit, all das ist eine Mischung, die es sonst nirgendwo gibt. Man muss das deshalb nicht automatisch mögen, darauf will ich nicht hinaus, aber vielleicht bringt das ein bisschen Verständnis für Menschen, die das tun. Ohne komplett in den Rechtfertigungsmodus zu verfallen (das ist hier echt leicht), aber beim Theater hinterfragt auch niemand, warum dort anders als „im echten Leben“ gesprochen wird, warum beim Musical gesungen wird oder warum im Film, wenn jemand schießt – ach lassen wir das, ihr wisst, worauf ich hinaus möchte. Wrestling ist eine Ausdrucksform unter vielen und da gibt es genauso Konventionen wie woanders. Die Mischung ist das, was es für mich ausmacht.

Wisst ihr was? Das sollte eigentlich gar nicht so lang werden. Ich könnte noch ewig so weiterschreiben, aber das wird die wenigsten hier interessieren. Was ich eigentlich tun wollte als ich diesen Text anfing, war, eine Empfehlung für eine Dokuserie vom Hessischen Rundfunk und 4Reel zu schreiben. Und da das meine Seite ist und ich hier machen kann, was ich will, kommt das jetzt noch. Aber keine Sorge, ich halte mich kurz.

Bild: hr Fernsehen

Seit Anfang Januar 2022 könnt ihr die Dokuserie „Bastards.“ in der ARD Mediathek finden. In zwei Staffeln mit je sechs Folgen wurden die Wrestler Prince Ahura und Maggot begleitet, die zusammen das Team „Pretty Bastards“ bilden. In der zweiten Staffel kommen Baby Allison und Aaron Insane hinzu. Es wird ein extrem guter Überblick über die deutsche Szene gegeben und was es bedeutet, Wrestler oder Wrestlerin in Deutschland zu sein. Ihr hört die Namen wahrscheinlich zum ersten Mal, daher könnt ihr euch sicherlich schon denken, dass das eher aus Leidenschaft gemacht wird und nicht für Ruhm und Ehre. Was das bedeutet, welche Steine im Weg liegen und welche Lichtblicke es gibt, könnt ihr euch noch bis Januar 2023 in der Mediathek ansehen. Ich fand die Serie sehr ergreifend, weil das, was da Backstage und an Fankultur gezeigt wird, auch etwas ist, dass es zwei Jahre fast gar nicht gab und ich kann es kaum erwarten, wieder zum Carat nach Oberhausen zu fahren, aber seht selbst. Auch ohne Fanbrille ist das immer noch eine sehr gut gemachte Doku. Wenn ihr mich fragt, solltet ihr euch, wenn ihr Interesse habt, die ersten drei Folgen geben, dann wisst ihr, ob die Serie was für euch ist oder nicht.

So, ihr habt’s geschafft, wenn ihr noch drangeblieben seid. Ich glaube, ich wollte schon immer einen Text übers Wrestling schreiben. Ich hab vermieden, konkret zu werden, da ich weiß, dass die meisten, die das lesen, nichts damit anfangen können. Ich hoffe, das Lesen war trotzdem unterhaltsam.

Deutschland sucht die Superphrasen und ich habe sie gefunden

Die letzten Wochen und Monate im TV-Land haben gezeigt, dass es bei zeitgemäßen musikalischen Castingshows weniger darauf ankommt, die Teilnehmenden zu blamieren und vorzuführen, sondern mehr oder weniger die ultimative Stimme zu finden. Sendungen wie X-Factor, The Voice of Germany oder Unser Star für Baku sind beispielhaft für diesen neuen Trend. Ob den Teilnehmenden ein langfristiger Erfolg (was immer das auch ist) garantiert ist, kann ich genauso wenig beurteilen wie die Qualität der einzelnen „Produkte“. Worum es an dieser Stelle gehen soll, sind die neuen Anforderungen, die an die Jurys gestellt werden. Es reicht nicht mehr, den einzelnen Darbietungen Hohn oder blinde Lobhudelei zu entgegnen, wobei letzteres wohl immer präsent sein wird. Vielmehr ist es für den Juror oder die Jurorin von heute nötig, ein Set von stets pietätvollen und geistreichen Phrasen abrufbar zu haben und für sämtliche Situationen gewappnet zu sein. Dabei möchte ich gerne helfen.
Man stelle sich vor, jemand hat gerade ganz fantastisch gesungen und man weiß nicht so recht, wie man das erklären soll, ohne den Zuschauer zu überfordern. Hier meine Vorschläge:
  • Du hast heute echt wieder abgeliefert.
  • Das war internationales Niveau.
  • Du würdest damit einen Grammy gewinnen.
  • Ich kann nicht mehr, du hast mich weggeblasen.
  • Das was du machst, das können nicht viele.

Oftmals möchte man aber auch zeigen, wie gut man sich gerade im musikalisch-fachlichen Bereich auskennt. In solchen Fällen kann man jederzeit Fremdwörter mit einfließen lassen.

  • Mir gefällt dein Vibrato in der Stimme.
  • Mir gefällt, dass du kein Vibrato in der Stimme hast.
  • Du bist so schön edgy und ich liebe deine Stimme. Sie ist so rough!
  • Deine Stimme ist so schön smooth!
  • Mir gefallen die Strophen, aber in der Bridge bist du echt abgegangen.

In manchen Fällen ist man so stolz auf seine Teilnehmenden, da kann man die Situation gut nutzen, um statt die Performance zu bewerten, sein eigenes Format zu loben.

  • Ich finde es gut, dass man hier seinen eigenen Song singen kann. Das kann man sonst nirgends!
  • Wir sind keine Jury, wir sind Mentoren!
  • Wir sind keine Jury, wir sind Coaches!
  • Bei anderen Castingshows würde man mit unseren Top 5 eine ganze Staffel füllen!
  • Wir sind keine Castingshow!

Bei allem Hang dazu, möglichst objektiv zu bewerten, ist es manchmal doch notwendig, das Publikum in die richtigere Bahn zu lenken. Hat man beispielsweise zwei Teilnehmende, die bei den Zuschauern gleich gut ankommen, muss man die Kritik nur gut verpacken und schon ist das Problem gelöst.

  • Du warst viel besser als in der Probe.
  • Der Song hat mir heute zum ersten Mal richtig gefallen.
  • Du hast das Lied sehr schön nachgesungen.
  • Siehst du, du brauchtest gar keine Angst haben, das hast du sehr gut gemacht.
  • Ich weiß, wie aufgeregt du immer bist, aber das musst du gar nicht sein, das war spitze!

In jede Jury gehört ein Juror oder eine Jurorin, der oder die nicht durch Fachkenntnis, sondern durch Empathie brilliert. Dies ist nötig, da die Bewertung sonst zu technisch wirkt, was wiederum total uninteressant für das Publikum wäre. Man erkennt ihn oder sie sehr leicht an folgenden Aussagen.

  • Ich habe dich ganz gespürt.
  • Ich habe gemerkt, wie du den ganzen Song über bei mir warst.
  • Uns verbindet etwas ganz besonderes.
  • Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe überall Gänsehaut.
  • Ich merke, du hast so etwas in deinem Inneren, das berührt mich.
  • Wir sind Seelenverwandte.

Analog dazu kann man sich auch auf die optische Erscheinung beziehen.

  • Ich mag deine extrovertierte Art.
  • Ich mag, wie du auf der großen Bühne ganz bei dir bist.
  • Ich mag, wie du mit deiner Präsenz verstehst, die Bühne auszufüllen.
  • Nächste Woche kannst du ruhig etwas gewagteres anziehen.
  • Ich mag deine Schuhe.

Der Trend zu Castingshows, die eigentlich keine sein wollen, wird sicherlich eine Weile anhalten. Wer weiß, wer noch alles in einer Jury landen wird. Ich hoffe, mit dieser Sammlung von überaus nützlichen Phrasen, angehenden Juroren und Jurorinnen eine sinnvolle Grundlage geben zu können.
Ein Satz fehlt noch. Ein sehr wichtiger Satz, den man immer sagen kann, wenn man mit seinem Latein am Ende ist. Ein Satz, den man sich auch als Zuschauer, merken sollte – als Zuschauer, der stets die Wahl hat, was er wann und ob überhaupt in der Kiste sehen möchte.

  • Am Ende muss das Publikum entscheiden.

Zum Jugendwort des Jahres 2011

Schön, dass „Swag“ Jugendwort des Jahres ist, aber dass da Kreativität und nicht die Häufigkeit der Verwendung zählt, wird oft nicht erwähnt. Deswegen ist auch vollkommen egal, ob man „Swag“ oder „guttenbergen“ schon gehört hat, der Sprachgebrauch ist da nicht relevant. Ein Vorschlag kommt von einer Schule zum Verlag und weil man natürlich gewinnen will, muss er so ausgefallen wie möglich sein. Wenn das Wort dann in der Liste ist, kann es sich immer noch durchsetzen (oder auch nicht, siehe „Niveaulimbo“ 2010).