Der Soundtrack meines Lebens

Auf Endemittezwanzig hatte Marla die Idee, inspiriert von einer interessantesten Rubrik einer für mich eher uninteressanten Zeitschrift, Menschen nach dem „Soundtrack ihres Lebens“ zu fragen. Eine schöne Idee! Danke auch an Karolin, die mich mit ihrem Soundtrack erst darauf aufmerksam gemacht hat.

Den Soundtrack meines Lebens in 10-12 Liedern zusammenzustellen ist gar nicht so leicht. Das bedeutet, dass ein Großteil der Lieder ausgelassen werden muss. Es heißt aber auch, dass ich mich auf das Wesentliche beschränken kann. Wer will sich schon durch meine kommentierte Top 100 quälen? In den letzten Tagen habe ich also nochmal nachgedacht und bin in Erinnerungen geschwelgt. Das alleine ist die Liste schon wert. Dabei fängt mein Musikhörerleben so ca. 1997 an, also mit 15/16 Jahren ungefähr. Davor gab es nur Bravo-Hits vom Polenmarkt auf Doppelkassette. Das hatte man eben. Die Liste beginnt also mit meinem ersten Discman.

Ich war irgendwann in dieser Zeit auf Klassenfahrt im Harz. Dort gab es einen Supermarkt, wo ich mir auf gut Glück eine CD kaufte. Es war das Live-Album „Tested“ von Bad Religion. Ich kannte die Band nur aus einem Grund: Ich hatte gehört, dass der Sänger mit den Toten Hosen befreundet war und die mochte ich ganz gerne. Das Album hat mir am Anfang (und später meinen Eltern) starke Kopfschmerzen bereitet. So etwas hatte ich nie zuvor gehört. Aber mit jedem Durchlauf gefiel es mir besser und dann wurde ich Fan. Bis heute ist Bad Religion die Band, die mich wohl die längste Zeit begleitet hat. Ich fiebere jedem Album und jedem Konzert entgegen. Erst später habe ich mitbekommen, dass „Tested“ unter Kritikern eher mäßig ankam und die Band in dieser Zeit eine riesige Krise durchgemacht hat. Stellvertretend sei an dieser Stelle „American Jesus“ ausgewählt.

Als ich gelesen hatte, dass der Sänger von Bad Religion, Greg Graffin, ein Soloalbum rausgebracht hat, musste ich es haben. Das war nur schwerer als gedacht, da es in Deutschland nicht verfügbar war. Die einzige Möglichkeit war, es im WOM am Ku’damm zu bestellen. Die führten auch Importe, nur war das astronomisch teuer. Hoffnung gab allerdings ein Format namens MP3, das sich damals anfing durchzusetzen. Früher oder später hatte ich das Album und ich war hin und weg, weil es so anders war. Es hatte Country-, Bluegrass- und Gospeleinflüsse, was für mich wiederum komplett neu war. Mittlerweile gibt es zwei Soloalben von Greg Graffin. „Don’t be afraid to run“ ist immer noch eines meiner liebsten Lieder.

In meiner Zeit auf dem Gymnasium war ich ein riesiger Marilyn-Manson-Fan. Die Band wurde gerade durch ihre Coverversion von „Sweet Dreams“ weitläufig bekannt und ich habe alles verschlungen. Für ein Schulprojekt habe ich Texte vom Album „Antichrist Superstar“ übersetzt und das Konzept hinter dem Album erklärt. Ich habe mir die Biografie zu Weihnachten schenken lassen (mein erstes Buch auf Englisch). Die Musik und der Stil übten eine enorme Faszination auf mich auf. Für das Projekt bekam ich eine Eins und den Kommentar eine Mitschülerin, dass ich irgendwann in der Hölle schmoren werde. Hier nun mein damaliger Lieblingssong.

In der Zeit, in der ich Abitur gemacht habe, habe ich Flogging Molly kennengelernt. Der Tipp kam damals von einem Freund über den AOL-Chat. Die Band hat mich mit ihrem Album „Drunken Lullabies“ einfach weggeblasen. Ich konnte es kaum erwarten, sie mit meiner Freundin live zu sehen. Das war dann auch unser erstes gemeinsames Konzert. Es fand im knackevollen Knaak in Berlin statt. Als vorband trat Throw Rag auf. Als Flogging Molly dann auf die Bühne kam, eröffnete sich eine neue Welt für mich. Das war nicht zu vergleichen mit DJ Bobo auf der Freilichtbühne in Eberswalde. Bis heute ist „Death Valley Queen“ quasi „unser Lied“. Ich war bis heute auf vielen Konzerten von Flogging Molly, aber das sollte einzigartig bleiben. Nicht zuletzt auch deshalb, da ich das Lied seitdem nie wieder live gehört habe.

Mein erstes Album von Funny van Dannen war „Herzscheiße“. Ich bin zufällig darauf gestoßen und mir gefiel vor allem „Freunde der Realität“. Ich habe mir sofort weitere Alben besorgt und war hin weg. Die Mischung aus ernsten, rührseligen und absurden Liedern gefällt mir immer noch sehr gut. Für mich ist Funny der tollste „Liedermacher“, sofern er sich da zuordnen will.

Während meines Studiums in Leipzig bin ich auf viele für mich neue Bands gestoßen. Eine davon war Mutabor, die ich ca. 2004 rauf und runter gehört habe. Mir gefiel nicht alles, aber das meiste richtig gut. Auf dem Campusfest 2005 habe ich sie dann vorerst zum letzten Mal live gesehen, bevor die Band sich in eine längere Pause verabschiedete. Mittlerweile touren sie wieder durch Deutschland. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann wieder an die Band rankomme. Ich denke eher nicht, aber wer weiß. Ich erinnere mich jedenfalls an eine schöne Zeit mit der Musik.

Von The Gaslight Anthem habe ich auf einschlägigen Review-Webseiten erfahren. Ich nahm mir vor, mal reinzuhören und besorgte mir das Album „The ’59 Sound“, das zu der Zeit gerade erschienen ist. Die ersten Sekunden von „Great Expectations“ haben mich weggeblasen. Selten habe ich so ein positives Gefühl beim ersten Eindruck einer Band gehabt. Das ging den Rest des Albums so weiter und hält bis heute an. Alles, was die Band bis heute rausgebracht hat finde ich großartig und wann immer es die Möglichkeit gibt, die Band live zu sehen, bin ich dabei.

Bei vielen ist es andersherum, aber auf Bruce Springsteen bin ich erst durch den Einfluss, den er auf The Gaslight Anthem hat gekommen. Klar, er sagte mir vorher schon was, aber zu seiner Musik bin ich erst später gekommen. Ich kannte lediglich das Video von „Streets of Philadelphia“, zum einen aus der WDR-Sendung „Hit Clip“, bevor es MTV über Satellit gab, und zum anderen aus einer Parodie von „RTL Samstag Nacht“. Meinen eigentlichen Einstieg in das musikalische Schaffen vom Boss machte das Album „Live in New York City“. Darauf gefiel mir vor allem „Atlantic City“. Als ich dann später das Original hörte, merkte ich erst, wie stark beide Versionen in beeindruckendem Kontrast zueinander stehen. Was ursprünglich ein ziemlich hoffnungsloses Lied ist, war in dieser Liveversion das komplette Gegenteil. Mir gefallen beide Versionen sehr gut. „Atlantic City“ öffnete mir das Tor zu vielen anderen Alben von Bruce Springsteen und weiteren Bands.

Chuck Ragan habe ich zum ersten Mal 2010 als Vorband in Berlin gesehen. Auch seine Musik hat mich vom ersten Ton an erreicht und tut das heute noch. Egal ob alleine, zusammen mit Joe Ginsberg und Jon Gaunt oder mit weiteren Musikern auf der Revival Tour bleibt diese Musik für mich unerreicht. Wenn ich Musik für die vielbeschworene einsame Insel wählen müsste, dann wäre das Musik von Bad Religion, The Gaslight Anthem und Chuck Ragan. Ich könnte diese Lobhudelei ewig weiterführen, aber stattdessen hier nun lieber das Lied „Open up and wail“.

Eine Band darf in dem Soundtrack nicht fehlen, und zwar The Horrible Crowes. Die Band ist ein Nebenprojekt von Brian Fallon und veröffentlichte 2011 das Album „Elsie“. Das Album gehört für mich zu den besten überhaupt. Stellvertretend kommt hier das Lied „Blood Loss“.

2013 habe ich mein Volontariat in München beendet. An meinem ganzen letzten Tag hatte ich das Lied „We’ve all got to be going somewhere“ im Kopf. Das fand ich gut von meinem Kopf, vielleicht etwas kitschig aber doch passend. Ich verschickte das Lied an alle Mitarbeiter und machte mich auf den Weg. Was für ein toller Abschluss!

Wir sind am Ende meines Soundtracks angekommen. Schön, dass ihr bis jetzt durchgehalten habt, ich hoffe ihr konntet euch ein wenig an meiner Auswahl erfreuen. Die Auswahl an Musik ist fast unendlich und Sachen zu finden, die einem gefallen, ist gar nicht so einfach. mal hat das mit Glück zu tun, mal ist es abhängig von der eigenen Filterblase, mal wird man drauf gestoßen und mal hat man aktiv nach gesucht. Wie immer man auch dazu kommt, es erfüllt mich mit einer großen Freude, dass es immer neue und gute Musik zu entdecken gibt.
Deshalb wähle ich als letzte Band The Drowning Men, die ich als letzte für mich entdeckt habe und wünsche euch viel Spaß dabei.

Ich hoffe, ihr hattet beim Hören und Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Erstellen dieser Liste. Den ganzen Soundtrack gibt es als Playliste für Interessierte bei Spotify. Ich bedanke mich nochmal bei Marla für die Idee!

Autor: Stefan

Japanologe, Deutsch-als-Fremdsprachler, Blogger, Schatzsucher. Hobbys sind Lesen, Gucken und Machen.

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