Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen

Wie versprochen folgt jetzt ein Text, den ich vor ganz ganz vielen Jahren geschrieben habe. Er ist schon etwas ranzig und an den Ecken lauern Spinnweben, aber er hat trotzdem seinen Charme, ist er doch der erste Text dieser Art, den ich geschrieben habe. Zum Kontext: Nachdem ich 2002 mein Abi gemacht habe, arbeitete ich ein paar Monate in einem Kaufland. Meine ersten Eindrücke davon könnt ihr nun lesen. Eines möchte ich aber noch loswerden: Frau H., es war jugendlicher Leichtsinn, sie zu diffamieren, bitte nehmen Sie es mir nicht zu übel. Ich würde heute keinen Menschen mehr beleidigen, außer es sind welche des öffentlichen Lebens, da nehme ich mir das raus. So und los gehts:

Mein erster Arbeitstag im Kaufland

Hab Vormittag mit Frau V meinen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Nebenbei meinte Frau R, ich sollte mich bereithalten, da ich noch am selben Tag eventuell antanzen könnte.
Mittags klingelte das Telefon. Ich sollte so schnell wie möglich zur Arbeit kommen. Überraschend war die Arbeitszeit von 12 Uhr bis 22 Uhr.
Verantwortlich für mich war Frau H. Frau H als dümmlich zu bezeichnen, ist noch geschmeichelt. Meine erste Aufgabe war – ich wusste noch nicht, dass ich den ganzen langen Tag damit verbringen sollte – das Aussortieren einer vermüllten Palette vom Vorgängersupermarkt Famila, das Aufschreiben der jeweiligen Artikel und dann wieder das Einsortieren der Artikel auf die Palette. Nach einem Lob der Chefin, wie toll ich doch die Artikel da einsortiert habe, meinte Frau H, ich solle doch die Artikel wieder von der Palette nehmen. Bevor ich realisierte, was sie überhaupt wollte, begründete sie das damit, dass ich doch noch alle Artikel auspreisen muss. Ich dachte mir, ja klar das mach ich, da geht die Zeit wenigstens schnell vorbei. Die Zeit ging in der tat vorbei, was für mich relativ überraschend war, da ich nicht nur tackern musste, sondern auch noch die jeweils vorhandenen zwei Preisaufkleber mit einem roten X versehen musste. Die neuen Preise durften nämlich nicht über die alten getackert werden, sondern möglichst links daneben. Ich sollte es sozusagen wie ein Unfall aussehen lassen. Der Kunde soll denken: „Ha! Da hat der Blödmann die so ausgepriesen, dass ich noch den alten Preis sehen kann!“
Die Palette bestand nur aus Autozubehör, einem Gebiet, in dem ich durchaus noch Lernfähig bin. Es gab Massenweise „Mehrzweckfett“. Für mich war das jedoch nur zu einem Zweck da: Das fettig machen meiner Hände. Manchmal dachte ich, die Leute von Famila, die das vorher schon ausgepriesen haben, waren alle aggressiv. Ich hatte manchmal den Eindruck, sie übertackerten die Preise sooft, dass die kleinen Aufkleber höher als breit waren. Während ich so tackerte und rackerte, lernte ich den Azubi kennen. Ich fragte nicht nach dem Namen, aber er war sehr nett.
Um ca. 5 Uhr war ich fertig mit der Palette. Aber keine Angst, immer wenn ich mich umdrehte, sahen mich unzählige weitere Paletten an, die darauf warteten, ausgeräumt zu werden.
Irgendwann fragte mich Frau H, ob ich nicht mal Pause machen wolle. Ich bildete mir ein, ich bräuchte keine Pause und hoffte somit früher fertig zu werden. Ich antwortete mit „Ja gleich.“
Dummerweise wusste ich den ganzen Tag nicht, wie spät es ist und bildete mir irgendwann ein, ich hätte bald Feierabend. Ich fragte dann eine Kollegin nach der Uhrzeit und sagte ihr, ich hätte am ersten Tag meine Uhr vergessen; nur so um ins Gespräch zu kommen. Sie antwortete nur: „Ach das ist ja putzig.“
Langsam merkte ich, wie ich immer mehr Schreibfehler machte. Ich will gar nicht wissen wieviele ich nicht bemerkte. Jedenfalls machte ich dann Pause und ging Döner essen. Auf dem Weg zum Ausgang traf ich den noch namenlosen Azubi. Als ich sagte, dass ich an diesem Tag und am nächsten Tag jeweils 10 Stunden arbeiten muss, war er geschockt als hätte ich ihm mitgeteilt, er wäre schwanger. Fand ich jedenfalls putzig. Als die Pause zuende war, fühle ich mich wie neu geboren, allerdings nur für ungefähr sieben Minuten.
Um 20 Uhr kamen die Leute zur Nachtschicht. Sie wollten wie ich in zwei Stunden Schluss haben. Außerdem brachten sie eine neue Palette für mich. Langsam wurde ich aggressiv, weil ich langsam keine Kraft mehr für den Tacker hatte oder besser ausgedrückt: Irgendwie ging der Tacker immer schwerer. Jedenfalls hab ich oft aus Wut meterhohe Auspreisungen gemacht.
Zum Ende hin habe ich dann die Orientierung verloren und mich gefragt, wo ich eigentlich bin. Nach etwas Überlegung fand ich es dann ohne fremde Hilfe heraus. Nächstesmal nehme ich mir etwas zu trinken mit.
Die beste Aufgabe habe ich mir für den Schluss bzw. für den nächsten Tag aufgehoben: 173 Erfrischungstücherpäckchen (mit jeweils einem einzigen Tuch) wollten ihre Preise durchgestrichen haben und verbilligt werden… Es erinnert mich an den Witz, in dem jemand 2000 Kondome bestellt hat und sich beim Verkäufer beschwerte, dass nur 1997 drin waren. Der Verkäufer meinte daraufhin: „Ich hoffe, ich habe ihnen nicht das Wochenende versaut“.
Kurz vor 22 Uhr ging ich zu Frau H, die mir die Tür des Hintereingangs öffnete. Ich wusste wieder nicht wo ich war. Hab mich grob daran erinnert, dass das Kaufland 2 im Erdgeschoss ist, also das Lager auch und folglich war ich nicht auf dem Parkdeck… Das war der erste Tag im Kaufland 2. Fortsetzung folgt. Eventuell.

Autor: Stefan

Japanologe, Deutsch-als-Fremdsprachler, Blogger, Schatzsucher. Hobbys sind Lesen, Gucken und Machen.

3 Gedanken zu „Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen“

  1. Was für ein herrlicher text, wenn auch die Beschreibung der eintönigen Tätigkeit einen nahezu mit dem Fuß aufstampfen lassen möchte. Musste sehr lachen über den Satz „Das nächste Mal nehme ich etwas zu trinken mit.“

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